Meditatives Schreiben
Als moderne Menschen ordnen wir in der Regel dem Schreiben eine einzige Aufgabe zu: Das möglichst korrekte Festhalten von Informationen oder eigenen Gedanken auf einem Blatt Papier. Das Abschreiben ist im Zeitalter von Kopierer, Scanner und Smartphone kaum noch nötig.
Abschreiben kann aber auch eine Form der Meditation sein: Abschreiben
verlangsamt die Wahrnehmung. Wer abschreibt, nimmt einen Text Wort für Wort, ganz genau und sorgfältig wahr. Wer beim Schreiben leise das Geschriebene vor sich hinmurmelt, meditiert mit Augen, Mund, Ohren und Hand die Worte, die er schreibt. Die Botschaft erreicht so nicht nur die Augen und Ohren, nicht nur Kopf und Verstand. Es geht darum, den Text mit allen Sinnen und auch körperlich wahrzunehmen: Zunächst mit der Hand und dem Arm und Ende vielleicht mit dem eigenen Leben. Suche dir einen biblischen Text: Einen Psalm oder eine Geschichte in den Evangelien, die Tageslosung, das Vaterunser – alles ist möglich. Schreibe den Text einfach einmal oder mehrmals langsam und aufmerksam von vorne bis hinten ab. Oder entscheide dich für eine der folgenden Varianten:
1) Den Text so abschreiben, dass einzelne Wörter besonders gestaltet werden. Z. B. Wörter, die mir auffallen oder die mir wichtig scheinen, groß oder in einer anderen Farbe schreiben.
2) Den Text rückwärts abschreiben. Mit dem letzten Wort beginnen, dann das vorletzte schreiben usw. So bekommt jedes einzelne Wort eine besondere Aufmerksamkeit.
3) Den Text schreiben, bis die Seite voll ist, dann das Blatt um neunzig Grad drehen und (quer zum bereits Geschriebenen) weiterschreiben. Wenn man unten angekommen ist, nochmal um 90 Grad drehen und weiter schreiben, usw.. Der Text verwandelt sich so nach und nach in ein „geschriebenes“ Bild.
© Dr. Silke Harms